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2017-02-16 20:33:10 +01:00

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<title>Sicherheit und Freiheit</title>
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<h1>Sicherheit und Freiheit </h1>
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<span>2017-02-06</strong>
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<p>Wenn man die Medien verfolgt, mag man beinahe den Eindruck gewinnen, als würde
ringsum die Welt im Chaos versinken. Die Geschehnisse in der Ukraine. Die
Nachwehen des Arabischen Frühlings. Großbritannien tritt aus der EU aus, das
EU-freundliche Schottland könnte sich in einem zweiten Anlauf nun doch von den
Engländern lossagen. Rechtsextremistische Ideologien werden wieder salonfähig,
Neonazis marschieren unter Bezeichnungen wie „PEGIDA“ und „Identitäre Bewegung“
in den Städten auf, und im Weißen Haus sitzt ein populistischer
frauenfeindlicher islamophober menschenverachtender Egomane mit gewissen
Komplexen bezüglich der Größe seiner Hände. Und nicht zuletzt gibt es da
natürlich auch noch den „Islamischen Staat“, kurz IS, mit seinen Bestrebungen,
ein globales „Kalifat“ zu errichten, der mit Terroranschlägen die Welt in Angst
und Schrecken versetzt. Noch nie, so zumindest das subjektive Gefühl, gab es in
Europa mehr terroristische Aktivitäten als heute.</p>
<p><img src="https://kumi.website/files/img/terrorism20161219.png" alt="Statistik Terrorismus"></p>
<p>Dass das nicht der Wahrheit entspricht, zeigt sich, wenn man sich die Daten
ansieht. Der jüngeren Generation sind RAF, IRA und ETA freilich kaum noch ein
Begriff, und auch aus dem Gedächtnis jener, die alt genug sind um es erlebt zu
haben, scheinen Ereignisse wie der Bombenanschlag auf Pan-Am 103 über Lockerbie
inzwischen verschwunden zu sein. Das mag auch daran liegen, dass wir heute mit
Informationen überflutet werden, immer und überall hautnah dabei sind:
Vergangen, die Zeiten, als Nachrichten des Abends im Fernsehen verlesen oder
morgens der Zeitung entnommen wurden. Kaum fällt heute in China ein Sack Reis
um, sind zwanzig Kamerateams vor Ort und berichten live. Und nicht alles, was
sie zu wissen glauben, entspricht der Wahrheit: Unverifizierbare Gerüchte auf
Facebook und Twitter finden ihren Weg in diese Berichte. Denn das Volk will
unterhalten werden, will wissen, was auf der Welt passiert, und zwar sofort.
Es will Sensationen, die bringen Quote. Und Quote bringt Werbeeinahmen, ohne die
man ein Nachrichtenmedium schwerlich betreiben kann. Dass da die Fakten oft auf
der Strecke bleiben, ist kaum weiter verwunderlich.</p>
<p>Zugegeben, in Zeiten wie diesen hat man es nicht ganz leicht als PolitikerIn.
Das Volk hat Angst, flüchtet sich zu Rechtspopulisten, die einfache Antworten
auf die Probleme der Zeit zu haben scheinen. Ausländer raus, Grenzen dicht,
basta. Dass die Regierung da nicht immer einen kühlen Kopf behält und manchmal
auch undurchdachte Ideen ausgesprochen werden geschenkt. Gefährlich wird es,
wenn man sich auf diese Ideen einlässt und sie sich selbst zueigen macht, in der
irrigen Annahme, damit den Rechten das Wasser abzugraben. Irgendwo hat man mal
aufgeschnappt, dass man Feuer mit Feuer bekämpfen kann, aber nicht mitbekommen,
dass damit ein Gegenfeuer gemeint ist. Stattdessen schüttet man Öl hinein und
wundert sich, dass es immer stärker wütet. Und die WählerInnen treibt man mit
dieser Strategie immer mehr in die Arme von FPÖ, AfD, Front National, etc. Die
haben es ja immer schon gewusst.</p>
<p>Gerade nach schrecklichen Ereignissen neigen EntscheidungsträgerInnen dazu, die
Sicherheit erhöhen zu wollen, indem sie die Freiheit einschränken. International
besonders bemerkenswert ist da natürlich der USA PATRIOT Act, jenes
US-amerikanische Gesetz, das nach den Anschlägen vom 11. September 2001 im
Eiltempo, nämlich innerhalb von anderthalb Monaten, verabschiedet wurde und in
dem NSA, CIA und FBI weitreichende Rechte eingeräumt wurden, die sie, wie wir
spätestens seit Edward Snowden heute wissen, für zweifelhafte Zwecke eingesetzt
haben.</p>
<p>Auch in Österreich gibt es gewichtige Stimmen, die meinen, Sicherheit mit
Freiheit kaufen zu können. „Stakkatoartig“ nennt Michael Matzenberger in einem
Artikel auf derStandard.at den Rhythmus, in dem Innenminister Wolfgang Sobotka,
ÖVP, seine Überwachungsideen präsentiert, und seine KollegInnen aus beiden
Regierungsparteien haben auch „tolle“ Ideen. „In allen Fragen in allen
Fragen! eine lückenlose Überwachung“, will Sobotka.</p>
<p>Die Vorratsdatenspeicherung zuvor vom Verfassungsgerichtshof wie auch vom
Europäischen Gerichtshof für unzulässig erklärt soll wieder eingeführt werden.
„Verdächtige“ sollen Fußfesseln bekommen, ihre Telefone abgehört werden auch,
wenn sie noch gar nicht mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind.
Transportunternehmen sollen den Aufenthaltsstatus ihrer Fahrgäste
kontrollieren und zwar nicht nur bei Fahrten über die Grenze. Auf alle
Überwachungskameras Österreichs will er zentral zugreifen können. Die ASFINAG
soll Autokennzeichen erfassen. Grenzkontrollen sollen ausgeweitet werden.
Handywertkarten sollen nicht mehr anonym sein. Wer nach Österreich einreist,
soll durch Iris- und Venenscans biometrisch erfasst werden. Computer sollen mit
einem Trojaner überwacht werden können, übrigens nicht nur bei Verdacht auf
schwere Straftaten, sondern etwa auch gegen Urheberrechtsverletzungen und
Hasspostings. Und weil die Polizei damit viel zusätzliche Arbeit hat, kann man
ja zum Ausgleich das Bundesheer eigentlich zur Verteidigung gegen äußere
Bedrohungen geschaffen auch im Inneren einsetzen.</p>
<p>Die Grundannahme hinter solchen Ideen: Wenn wir mehr Daten haben, fällt es uns
leichter, potenzielle Gefährder zu finden, zu verfolgen und aufzuhalten. Was
zunächst ja durchaus logisch klingt, wird aber durch eine Tatsache relativiert,
die oft verschwiegen wird und wir auch gerne vergessen: Alle terroristischen
Anschläge, die in letzter Zeit in Europa stattgefunden haben, wurden von
amtsbekannten Gefährdern begangen von der Anschlagsserie in Paris bis zum
Berliner Weihnachtsmarkt. Es fehlen schon die Ressourcen, um hier effektiv
einzugreifen. Die Strategie der Regierung, um die sprichwörtliche Nadel im
Heuhaufen zu finden, ist offenbar, immer mehr Heu draufzuwerfen und das Beste zu
hoffen.</p>
<p>„Datenschutz […] ist Verbrecherschutz“, so Sobotka. Das alte Argument: Wer
nichts zu verbergen hat, hat nichts zu befürchten. Aber nicht nur, dass damit
alle Menschen unter Generalverdacht gestellt werden wer garantiert, dass
gesammelte Daten nicht missbräuchlich verwendet werden? Und da ist nicht nur an
Hacker oder korrupte Beamte zu denken. Wie schnell Demokratien faschistische
Züge annehmen, sieht man nicht nur in der Türkei, wo regelmäßig Menschen wegen
Beleidigung des Präsidenten vor Gericht gestellt und verurteilt werden. Wer die
Privatsphäre einschränkt, zensuriert. Und wo die Meinungsfreiheit stirbt, stirbt
die Demokratie.</p>
<p>„Those who would give up essential Liberty, to purchase a little temporary
Safety, deserve neither Liberty nor Safety.“, meinte schon Benjamin Franklin.
Ein Satz, den sich manche zu Herzen nehmen sollten. Und solange die Politik auf
populistische Scheinlösungen setzt anstatt einen kühlen Kopf zu bewahren und
sich mit den echten Problemen der Zeit zu beschäftigen ein kaputtes
Bildungssystem, ein nicht-zukunftsfähiger Sozialstaat, die Schere zwischen Arm
und Reich müssen wir uns nicht wundern, dass das Vertrauen in die Politik
nicht gerade im Steigen begriffen ist.</p>
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